Rassismus und seine Symptome

Bericht des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors mit dem Schwerpunkt Gesundheit

Wer ist besonders von Diskriminierungserfahrungen betroffen und wo erleben Menschen Diskriminierung? Der Schwerpunkt Gesundheit des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors zeigt: Für den Bereich der gesundheitlichen Versorgung werden häufig Diskriminierungs- und/oder Rassismuserfahrungen angegeben – und zwar nicht nur von den potenziell von Rassismus Betroffenen. 

Die Intensität sowie die Konsequenzen erlebter Diskriminierung sind in Deutschland ungleich verteilt. Am häufigsten trifft es Bevölkerungsgruppen, die rassistisch markiert sind und deren Zugehörigkeit zu Deutschland immer wieder Gegenstand der öffentlichen Debatten ist: Schwarze, asiatische und muslimische Menschen.

Prof. Dr. Naika Foroutan, Direktorin des DeZIM-Instituts

Die Studie

Von Juni bis November 2022 untersuchten Wissenschaftler*innen des DeZIM-Instituts die Diskriminierungserfahrungen von Menschen in Deutschland. Bei der umfangreichen und repräsentativen Befragung nahmen mehr als 21.000 Personen in Deutschland teil.

Der diesjährige Schwerpunkt Gesundheit konzentriert sich unter anderem auf den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen, Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen bei der Nutzung von Gesundheitsdienstleistungen sowie deren Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung.

Zentrale Ergebnisse

Diskriminierungs- und/oder Rassismuserfahrungen sind allgemein weit verbreitet: Dabei variieren diese Erfahrungen in ihrer Art und ihrer Häufigkeit nach sozialen Gruppen, nach Diskriminierungsmerkmalen und nach sozialen Räumen. Das zeigt der neue Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor. 

Schwarze Menschen sind am meisten von Diskriminierung betroffen. Subtile Diskriminierungserfahrungen sind insgesamt häufiger und die Unterschiede zwischen rassistisch markierten Menschen und nicht rassistisch markierten Menschen sind im Verhältnis noch deutlicher.

  • Offenkundige Diskriminierung:  Fast jede fünfte Schwarze Frau (19%) gibt an, immer wieder Bedrohungen oder Belästigungen zu erfahren, bei den Schwarzen Männern sind es 18%.
  • Subtile Diskriminierungserfahrung: 37 % aller Schwarzen Männer geben an, dass ihnen regelmäßig mit Angst begegnet wird. Das ist damit viermal so häufig der Fall wie bei nicht rassistisch markierten Männern (9 %). Und jede fünfte Schwarze Frau (20 %) berichtet, dass ihr immer wieder mit Angst begegnet wird, im Vergleich zu etwa jeder 30. nicht rassistisch markierten Frau (4 %).

Zu den untersuchten Gruppen gehören Schwarze Menschen, muslimische Menschen, asiatische Menschen und nicht rassistisch markierte Menschen (nach Selbstidentifikation).

Beispiele für unterschiedliche Merkmale:

  • Alter, Behinderung oder chronische Krankheit (ability)
  • mangelnde Sprachkenntnisse, Migration nach Deutschland, nichtdeutsch klingende Namen, religiöse Zugehörigkeit oder Hautfarbe (race)
  • Geschlecht (gender) oder sexuelle Orientierung
  • Schichtzugehörigkeit, Einkommen oder Arbeitslosigkeit (class)

 

Rassistisch markierte Menschen erleben Diskriminierungserfahrungen mehrheitlich aufgrund rassistischer Merkmale, weniger in Bezug auf ability, gender, oder class.

Geschlecht, Alter und Gewicht sind die häufigsten Diskriminierungsmerkmale bei nicht rassistisch markierten (weißen) Frauen. Bei nicht rassistisch markierten (weißen) Männern sind die häufigsten Diskriminierungsmerkmale Alter, Gewicht und Einkommen.

     

Menschen können in unterschiedlichen sozialen Räumen diskriminierende und rassistische Erfahrungen machen: 

  • in der Öffentlichkeit: auf der Straße oder in öffentlichen Verkehrsmitteln
  • in der Freizeit: zum Beispiel beim Zugang zu Clubs oder Sportstudios
  • im Kontakt mit Banken, Ämtern und Behörden sowie der Polizei
  • im Gesundheitsbereich:  in Krankenhäusern oder beim Arztbesuch

 

Diskriminierungserfahrungen nach sozialen Gruppen:

  • Schwarze Menschen geben überproportional Diskriminierungs- und/oder Rassismuserfahrungen in der Öffentlichkeit und im Kontakt mit der Polizei an.
  • Muslimische Menschen erleben besonders häufig Diskriminierungs- und/oder Rassismuserfahrungen in Ämtern und Behörden, bei der Polizei und im Gesundheitsbereich.
  • Asiatische Menschen geben am häufigsten Diskriminierungs- und/oder Rassismuserfahrungen bei Ämtern und Behörden und in der Öffentlichkeit an.
  • Unter nicht rassistisch markierten (weißen) Personen berichten Frauen häufiger als Männer von Diskriminierungserfahrungen.

Schwerpunkt Gesundheit

In der gesundheitlichen Versorgung werden häufig Diskriminierungs- und/oder Rassismuserfahrungen angegeben – und zwar nicht nur von potenziell von Rassismus Betroffenen. Der Schwerpunkt des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors fragt: Wie hängen Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen und Gesundheit zusammen?

In diesem Bericht haben wir einen Schwerpunkt auf das Gesundheitswesen gelegt. Diskriminierung findet hier an unterschiedlichen Stellen statt. Rassistisch markierte Personen erhalten zum Beispiel schlechter Termine und finden weniger Gehör mit ihren Leiden.

Prof. Dr. Frank Kalter, Direktor des DeZIM-Instituts

  • Wer erfährt Diskriminierung im Gesundheitswesen? Frauen machen häufiger negative Erfahrungen als Männer: 39 % Schwarzer Frauen, 35 % muslimischer Frauen, 29 % asiatischer Frauen und 26 % nicht rassistisch markierten Frauen berichten von mindestens gelegentlich ungerechter und schlechterer Behandlung.

  • Wie äußert sich Diskriminierung im Gesundheitswesen? Knapp jede dritte rassistisch markierte Person gibt an, dass ihre Beschwerden nicht ernst genommen wurden. Besonders bei Frauen: muslimische Frauen (39 %) und asiatische Frauen (37 %) haben deswegen Ärzt*innen gewechselt. Bei nicht rassistisch markierten Frauen sind es rund 29 %. 

  • Welche Folgen hat Diskriminierung im Gesundheitswesen? Menschen vermeiden es zu Ärzt*innen zu gehen, vor allem Frauen: So geben 13 % bis 14 % der Schwarzen, asiatischen und muslimischen Frauen an, eine Behandlung aus Angst vor Diskriminierung verzögert oder komplett gemieden zu haben. Bei Männern liegt der Anteil in all diesen Gruppen bei etwa 8 %.

  • Diskriminierung und Rassismus gehen über die unmittelbaren Folgen für die Betroffenen hinaus und können mittelbar auch der Gesamtgesellschaft schaden. Je häufiger Diskriminierungs- und/oder Rassismuserfahrungen erlebt werden, desto stärker fallen die Hinweise auf eine Angststörung und depressive Symptome aus.

  • Besonders wenn Diskriminierungen in Institutionen passieren, die eigentlich zum Schutz der Bürger*innen und als Hilferäume aufgesucht werden, kann das zu gravierenden Vertrauensverlusten führen. 

Handlungsempfehlungen

Diskriminierung und Rassismus sind auf individueller, institutioneller und struktureller Ebene verschränkt. Deswegen muss auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig gehandelt werden, um Diskriminierung und Rassismus nachhaltig abzubauen. Die Empfehlungen richten sich sowohl an Akteur*innen aus der Politik als auch aus der Zivilgesellschaft und der Gesundheits-versorgung. Sie gliedern sich in drei Bereiche:

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  • Mainstreaming: Diskriminierung und Rassismus umfassend thematisieren

  • Institutionen: Forschungsbasierte Maßnahmen gegen Rassismus und Diskriminierung in institutionellen Kontexten etablieren 

  • Wissen: Diskriminierende Wissensbestände in der medizinischen Versorgung durch Ausbildung und Fortbildung abbauen 

  • Sprache: Diskriminierungs- und rassismussensible Sprache und Bilder in der Gesundheitsversorgung und der medizinischen Lehre stärken 

  • Intersektionalität: Medizinische Forschung interdisziplinärer gestalten - geschlechtsbasierte Diskriminierung mit Forschung zu Rassismus verknüpfen

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  • Politik: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) reformieren 

  • Beratung: Melde- und Beratungsstellen flächendeckend ausbauen 

  • Versorgung: Mehr psychotherapeutische Plätze schaffen, diskriminierungsfreie Terminvergaben einrichten, spezifische Maßnahmen für Asylsuchende und Menschen ohne Krankenversicherung gestalten 

  • Sprache: Sprachbarrieren abbauen 

  • Betroffene: Communitys stärken

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  • Forschung: Deutschsprachige Rassismus- sowie Gesundheitsforschung systematisch auf- und ausbauen 

  • Institutionen: Forschungszugänge ermöglichen und erleichtern

  • Intersektionalität: Mehrfachbenachteiligungen gezielt beforschen 

  • Sprache: Diskriminierungssensible Sprache in der Forschung etablieren 

  • Austausch: Vernetzung fördern