Rassistische Realitäten

Wie setzt sich Deutschland mit Rassismus auseinander?

Wie nehmen die Menschen in Deutschland Rassismus wahr – im Alltag, aber zum Beispiel auch in Behörden? Wie bewerten sie rassistische Vorfälle? Sind sie bereit, dagegen vorzugehen? Und wie viele glauben, dass menschliche „Rassen“ existieren? Unsere repräsentative Studie „Rassistische Realitäten“ beleuchtet erstmals umfangreich, wie sich unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen mit Rassismus auseinandersetzen. 

Pressemitteilung "Viele Menschen in Deutschland sind bereit zu Engagement gegen Rassismus" (5. Mai 2022)

Pressekontakt: Dr. Mathias Rodatz, Pressesprecher
presse(at)dezim-institut.de, Tel.: 030-200754-130

Rassismus ist Alltag in Deutschland. Er betrifft nicht nur Minderheiten, sondern die gesamte Gesellschaft, direkt oder indirekt.

Prof. Dr. Naika Foroutan, Direktorin des DeZIM-Instituts

Die Studie

Für die Studie „Rassistische Realitäten“ wurde von April bis August 2021 eine repräsentative computergestützte Telefonumfrage (CATI) durchgeführt. Dabei wurden über 5.000 Menschen in Deutschland befragt. Im Unterschied zu den meisten bestehenden Studien haben wir nicht nur Angehörige der Mehrheitsbevölkerung, sondern auch verschiedene Gruppen befragt, die potenziell Rassismus erfahren – so genannte rassifizierte Gruppen. Die Ergebnisse bilden also auch die Perspektiven von Menschen ab, die selbst von Rassismus betroffen sind.

Die Studie liefert erste Hinweise darauf,

  • wie verbreitet Rassismus und rassistische Wissensbestände sind,
  • welches Problembewusstsein die Menschen in Deutschland haben und
  • welches Mobilisierungspotential in der Gesellschaft existiert, um Rassismus aktiv entgegenzuwirken.

Viele der in der Auftaktstudie deutlich werdenden Aspekte werden die kommenden Veröffentlichungen des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors vertiefend behandeln.

Erstaunlich viele Menschen in Deutschland glauben noch immer an die Existenz menschlicher ‚Rassen‘, obwohl die Wissenschaft schon lange das Gegenteil belegt hat. Das zeigt, dass hier noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist.

Prof. Dr. Frank Kalter, Direktor des DeZIM-Instituts

Zentrale Ergebnisse

Die Studie zeigt, dass Rassismus ein zentrales gesellschaftliches Thema ist. Es bewegt viele Menschen in Deutschland und sie setzen sich in vielfältiger Weise mit ihm auseinander. Rassistische Realitäten strukturieren den Alltag vieler Menschen – so nimmt das eine große Mehrheit der Bevölkerung wahr. 

Die Daten und Analysen zeigen:

1. Die Menschen in Deutschland wissen, dass Rassismus Realität ist.

  • Beinahe die gesamte Bevölkerung (90%) erkennt an, dass Rassismus Realität ist. Fast jede zweite Person sieht Rassismus als ein Phänomen, das den Alltag und die Institutionen der Gesellschaft prägt. 
  • Mehr als 80% der Befragten sagen, dass es in zentralen Lebensbereichen wie Schule, Arbeit und Wohnen Rassismus gibt.

2. Viele Menschen in Deutschland sind direkt oder indirekt von Rassismus betroffen.

  • Rassismus ist eine verbreitete Erfahrung in Deutschland. Nur 35% der Befragten geben an, sie hätten in ihrem Leben noch keinerlei Berührung mit Rassismus gehabt.
  • Rassismus betrifft vor allem Angehörige potenziell von Rassismus betroffener Gruppen direkt, etwa Schwarze Menschen, Jüdinnen und Juden, Muslim*innen, Sinti*zze und Rom*nja. Einen Großteil der Bevölkerung betrifft Rassismus indirekt.
  • Das direkte Rassismus-Erleben und das indirekte Mit-Erleben führen zu einem nachhaltigen Gefühl der Betroffenheit.

3. Rassistische Vorstellungen halten sich hartnäckig.

  • Rassistische Wissensbestände und Vorstellungen sind in der Gesellschaft teilweise tief verankert. 49% der Befragten glauben, dass es menschliche "Rassen" gibt, obwohl das wissenschaftlich schon lange widerlegt ist.
  • Jede zweite bis dritte befragte Person sieht biologische Unterschiede zwischen Menschen oder bewertet Menschen auf Grund von deren "Kultur".

4. Reaktionen auf Rassismus sind unterschiedlich.

  • Ein Teil der Bevölkerung wehrt eine kritische Auseinandersetzung mit Rassismus ab. Menschen, die Rassismus erleben oder auf ihn aufmerksam machen, werden als überempfindlich und zu ängstlich dargestellt. Fast jede zweite Person deutet Kritik an Rassismus als Einschränkung der Meinungsfreiheit, als unangemessen oder überzogen. Am stärksten ausgeprägt ist die Abwehr in der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen, am geringsten unter den jüngsten, 14- bis 24-jährigen Befragten.
  • Knapp zwei Drittel der Menschen in Deutschland ist bereit, Rassismus entgegenzutreten - oder engagiert sich bereits in diesem Bereich. Die Engagement-Bereitschaft erhöht sich, wenn Menschen Rassismus beobachten oder ihnen davon berichtet wird. Und sie ist vor allem in den jüngeren Altersgruppen stark ausgeprägt.